Stellungnahme der BettelLobbyWien zur geplanten Änderung des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes

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Zur geplanten Änderung des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes, welche durch einen Initiativantrag der Landtagsabgeordneten der SPÖ gefordert und von der ÖVP unterstützt wird, hat die Bettellobby Wien folgende Kritikpunkte anzumerken:

1. Die Novellierung sieht die Erweiterung des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes um den Tatbestand des „gewerbsmäßigen Bettelns“ vor. Laut der Begründung des Antrages richtet sich diese neue Regelung gegen alle Personen, die regelmäßig betteln. Betteln soll „sofern die Absicht der wiederkehrenden Begehung zur Verschaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle zu bejahen ist, strafbar sein, ohne jedoch ein generelles Bettelverbot vorzusehen“. Aufgrund der sehr offenen Formulierung des Tatbestandes ist zu erwarten, dass auf Grundlage dieser neuen Regelung alle Formen des Bettelns bestraft werden, die nicht durch die bereits bestehenden Verbote abgedeckt sind. Diese Ansicht teilt auch die ÖVP, die die neue Regelung sehr begrüßt. In einer Presseaussendung ist zu lesen: „Durch diese Begriffsbestimmung (…) wird praktisch jede Form der Bettelei, die derzeit in Wien auftritt, unter Strafe gestellt. Ein wichtiger und richtiger Schritt für mehr Sicherheit in Wien.“ Obwohl die SPÖ betont, kein generelles Verbot des Bettelns einführen zu wollen, wird die genannte Änderung zur Folge haben, dass künftig jeder Mensch, der in Wien bettelt, bestraft werden kann. Dies stellt einen unbegründeten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte bettelnder Menschen dar, da das Betteln keine Rechtsgüter anderer Personen verletzt und weder die öffentliche Ordnung noch die Sicherheit gefährdet. Die Europäische Menschenrechtskonvention schützt in Artikel 8 das Recht auf eine freie Gestaltung der Lebensführung, eine unbegründete Einschränkung des Bettelns verletzt dieses Recht. Diese Ansicht teilen sowohl juristische Untersuchungen als auch die Begründung des VGH Mannheim zur Aufhebung eines Bettelverbotes in Stuttgart.

2. Die zweite geplante Änderung betrifft eine Erweiterung der Gründe für eine Wegweisung nach §3 WLSG. Nach dem neuen Entwurf soll es möglich sein,  Personen von öffentlichen Einrichtungen und Parks wegzuweisen, welche „allein durch ihr verwahrlostes Auftreten eine erhebliche Verunsicherung auslösen und die Bürgerinnen und Bürger von der widmungsgemäßen Nutzung der öffentlichen Einrichtungen abhalten bzw. in nicht zumutbarer Weise beeinträchtigen.“ Als Beispiele für solche Personen werden Suchtmittelabhängige, Obdachlose und Mitglieder organisierter Bettelbanden genannt. Abgesehen davon, dass nicht geklärt ist (geklärt werden kann!), welches Auftreten als „verwahrlost“ zu bezeichnen ist, zeugt diese Formulierung von einer bisher nicht dagewesenen Intoleranz gegenüber Menschen, die von Armut betroffen sind, suchtkrank sind oder Gruppen angehören, die nicht den Lebensstil der Mehrheitsgesellschaft teilen. Die PolitikerInnen der SPÖ vergessen hier offensichtlich, dass auch diese „Personen“ „Bürgerinnen und Bürger“ sind, die ein Recht haben, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Dieses Grundrecht aller BürgerInnen kann nie aufgrund des subjektiven Sicherheitsgefühls der wohlhabenden Mehrheit eingeschränkt werden. Eine Gesetzesänderung, die die Diskriminierung und Bestrafung ohnehin benachteiligter Menschen nur aufgrund ihrer äußeren Erscheinung zur Folge hat, missachtet deren Grundrechte und verschärft deren schlechte Situation noch weiter.

Aufgrund der genannten Argumente sind aus unserer Sicht beide geplanten Änderungen abzulehnen, da sie Menschen, die von Armut betroffen sind, unbegründet bestrafen und aus dem öffentlichen Raum verdrängen. „Bürgerinnen und Bürger“ haben nicht das Recht, dass ihnen der Anblick dieser Menschen erspart bleibt.

Links:

 http://bernhardkraut.wordpress.com/2010/03/20/weg-weise-recht-weit-weg-von-gestaltender-politik/

law and order, betteln verboten – Martin Margulies Blog

ÖVP Wien setzt Verbot gewerbsmäßiger Bettelei durch – Presseaussendung ÖVP

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10 Antworten to “Stellungnahme der BettelLobbyWien zur geplanten Änderung des Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes”

  1. Bodensatz der Gesellschaft « Santa Precaria Says:

    […] “Stellungnahme der BettelLobbyWien” zur geplanten Gesetzesänderung fair statt prekär Ich will per Email am Laufenden gehalten werden. […]

  2. Klaus Werner-Lobo Says:

    Wir betteln dagegen!

    Kommt so verwahrlost wie möglich, um gewerbsmäßig (allfällige Einnahmen kommen der „Bettellobby“ zugute) gegen dieses Gesetz sowie die ethische Verwahrlosung und den Rechtsruck der Wiener Landesregierung zu betteln!

    Freitag, 26. März 2010 ab 9 Uhr
    Rathaus, Eingang Lichtenfelsgasse

  3. Flashmob: Verwahrlost Auftreten – gegen das Bettelverbot! « Santa Precaria Says:

    […] auf Facebook Hintergrund bei Santa Precaria: Bodensatz der Gesellschaft Beitrag im Augustin Stellungnahme der Bettellobby Wien fair statt prekär Ich will per Email am Laufenden gehalten […]

  4. Siegi Lindenmayr Says:

    Insbesondere durch Mandatare der Grünen wurden bewusst Teile des Initiativantrages miteinander vermengt, die sich einerseits mit Bettelei und andererseits mit dem Wegweiserecht befassen. Aus diesem Grund haben die GemeinderätInnen, die den Initiativantrag eingebracht hatten, die taxative Aufzählung der Gruppen inkl. dem Begriff „verwahrlost“ streichen lassen. Interessant finde ich jedenfalls, dass so manche Personen offenbar das Herankarren von moldawischen Bettlern, die sich absichtlich verstümmeln und danach organisiert das erbettelte Geld abnehmen lassen, begrüßen. Denn genau gegen diese Gruppe bzw. deren Hintermänner richtet sich die Änderung des Gesetzes. Betteln für den „Eigenbedarf“ wird weiterhin möglich sein.

    • NdK Says:

      wenn herangekarrte moldawische bettler bestraft werden, kratzt das die hintermänner sicher gewaltig. warum macht ihr nicht ein gesetz gegen das ausbeuten von bettlern?

  5. akbettlerinnen Says:

    Sehr geehrter Herr Lindenmayr,

    namens der BettelLobby Wien möchte ich zu Ihrem Posting auf unserer Homepage folgendes anmerken:

    1. Sind uns nach mehrjährigen Recherchen keine Fälle von Bettelbanden, die sich selbst verstümmeln und bettelnde Menschen ausbeuten etc. bekannt. Auch von Seiten der Polizei wurde uns gegenüber und in letzter Zeit im Radio immer wieder betont, dass diesbezüglich keine Ermittlungsergebnisse vorliegen. Woher haben Sie Ihre Informationen von moldawischen Banden? Da ich mich auch wissenschaftlich mit dem Thema auseinander setze, wäre ich sehr daran interessiert.
    2. Falls es solche Banden tatsächlich gibt, dann treffen Sie mit dem Verbot des „gewerbsmäßigen Bettelns“ gerade die Falschen, nämlich diejenigen, die zum Betteln gezwungen werden. Wenn Sie schon wissen, dass diese Menschen Opfer sind, warum wollen Sie sie dann bestrafen?
    3. Ist der Tatbestand „gewerbsmäßiges Betteln“ völlig unzureichend bestimmt und öffnet daher der Willkür die Tore. Wie Ihr ÖVP-Kollege Wolfgang Ulm mit Freude feststellt, kann mit diesem neuen Gesetz jede Form des Bettelns in Wien unter Strafe gestellt werden. Ob jemand für den „Eigennutz“ bettelt oder nicht, ist für die Beamten außerdem nur äußerst schwer feststellbar, ebenso ist es für einen bettelnden Menschen völlig unklar, was noch erlaubt ist und was nicht.
    4. Ist bei der geplanten Änderung zur Wegweisung nicht nur die Formulierung menschenverachtend, sondern auch der Inhalt der Regelung: Menschen stellen nur aufgrund ihres äußeren Auftretens eine Belästigung für andere dar und dürfen deshalb weggewiesen werden. Ohne irgendetwas getan zu haben. Diese Regelung würde dazu führen, dass Sie bestimmte Bürgerinnen und Bürger vom Gemeingebrauch des öffentlichen Raumes ausschließen, ohne dafür eine Begründung zu liefern, die dieses Vorgehen rechtfertigen könnte. Es gibt kein Recht der Mehrheitsgesellschaft, den Anblick anders aussehender Menschen nicht ertragen zu müssen. Es gibt aber das Recht aller BürgerInnen, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten, nur aufgrund ihres Äußeren kann es nicht eingeschränkt werden.

    Wir sind eine Gruppe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, unser Wissen über bettelnde Menschen zu verbreiten und in aktuelle Debatten einzubringen. Da es den Anschein macht, dass Sie an diesem Thema interessiert sind, möchte ich Sie gerne einladen, sich mit VertreterInnen der BettelLobby Wien zu treffen und ausführlich über das Thema Betteln zu diskutieren.

    Mit freundlichen Grüßen

    Mag. Ferdinand Koller

  6. Weg weise recht weit weg von gestaltender Politik « Demur Says:

    […] Die Stellungnahme von einem sozialdemokratischen Funktionär bestätigt diesen Eindruck, das Verschärfen lediglich schönen zu wollen, nämlich jene jene in einem Kommentar von Siegfried Lindenmayr auf bettellobbywien … […]

  7. Bernhard Kraut Says:

    Ergänzend hierzu: http://bernhardkraut.wordpress.com/2010/03/20/weg-weise-recht-weit-weg-von-gestaltender-politik/

  8. Antrag zur Verschärfung des Bettelverbots und Wegweiserechts der SPÖ Wien « BettelLobbyWien Says:

    […] wenn es tatsächlich so beschlossen werden soll. Denn, wie Siegfried Lindenmayr schreibt (siehe Lindenmayrs Kommentar), sei nun die taxative Aufzählung der Gruppen gestrichen. Damit wird es auf alle ausgedehnt. Nun […]

  9. Unwürdiges Bettelverbot « martins linksblog Says:

    […] generelle Aus. Siegi Lindenmayr, seines Zeichens Klubobmann der SPÖ vergreift sich dabei in einem Kommentar zu einer Stellungnahme der BettelLobbyWien völlig in seiner Argumentation, in dem er es interessant […]

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