Kommentar von dROMaBLOG:
„Die Art, wie Kollegen in Deutschland über ,die Roma‘ berichten, ist gefährlich und hat das Parkett des seriösen Journalismus verlassen. Die Roma. Damit fängt es schon an“, schrieb vor knapp drei Wochen Mely Kiyak in ihrer Kolumne „Es reicht!“ in der Frankfurter Rundschau – ein verärgerter, verzweifelter Stoßseufzer über die ressentimentgeladene Berichterstattung über Roma, bei der alle grundlegenden journalistischen Qualitätsstandards außer Kraft gesetzt scheinen: „Ich kenne keinen deutschen ,Romaberichterstatter‘, der sich ohne Übersetzer mit diesen Leuten unterhalten kann. Niemand spricht Rumänisch, Bulgarisch oder Romani, aber alle wissen Bescheid. (…) Warum funktioniert dieser Journalismus so, dass man sich von irgendwem irgendwas erzählen lässt? Wieso werden die Regeln für einen anständigen Journalismus bei ,den Roma‘ außer Acht gelassen?“
Fast täglich kann man sich am Zeitungskiosk davon überzeugen, wie recht Mely Kiyak damit hat. Und das freilich nicht nur in Deutschland: Zu einer reißerischen Titelstory ausSüdtirol („Die Clans der Profibettler“), erschienen im Nachrichtenmagazin „ff“ vom 16. Mai 2013, ersucht uns die Initiative Minderheiten Tirol um die Veröffentlichung Ihres offenene Briefes an die Redaktion:
Sehr geehrte Redaktion der ff,
beim Lesen Ihrer letzten Titelgeschichte „Die Clans der Profibettler“ könnte einem Angst und Bange werden: Die journalistische Recherche, die einen solchen Namen gar nicht verdient, wartet – statt mit Hintergrundinformationen und fundierten Aussagen – mit bloßen Behauptungen und Mythen („Bettlermafia“ der „rumänischen Banden“ … bis zu 8.000 Euro am Tag … die Zuhälter …), Hetze und Kriminalisierung auf, wie sie selten in dieser Form in einem Medium veröffentlicht werden darf. Der stigmatisierende Blick auf Menschen, die in Armut leben, mit seiner beharrlichen Betonung von Dreck, Gestank etc., die rassistischen Untertöne gegenüber Roma, das stereotype Bild von Betrügern und falschen Armen, die sich sogar noch über ihre Rechte und Pflichten informieren, um das „geschickte Ausnützen“ zu perfektionieren … – Satz für Satz ist diese Titelgeschichte nicht nur ein Ärgernis, sondern auch eine Gefahr für demokratische Gesellschaften, in denen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in dieser extremen Form keinen Platz mehr haben sollte. Umso bedauerlicher, dass sie auf Menschenrechten und demokratischen Grundwerten beruhende Haltungen auch noch als „politically correct“ marginalisieren und fast schon der Lächerlichkeit preisgeben. Dementsprechend ihrer „Problem-Konstruktion“ (bettelnde Roma, die die Südtiroler Bürger verärgern) fällt dann auch ihre „Problemlösung“ aus, die sich in erster Linie aufSicherheit, Ordnung und repressive Maßnahmen sowie auf eine polizeiliche Sichtweise des „Problems“ konzentriert. Glücklicherweise ist in Demokratien die Armutsbekämpfung noch immer eine Angelegenheit der Politik und nicht der Polizei.
In der Hoffnung darauf, dass diese Titelgeschichte eine einmalige Entgleisung bleiben möge, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,
Mag. Lisa Gensluckner
Geschäftsführung Initiative Minderheiten Tirol
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