Eine Gesprächrunde zum Film
„Natasha“ von Ulli Gladik mit Tina Leisch, Radiša Barbul, Susita Fink,
Maja Malle, Eva Moschitz, Sandra Selimovic Tina Leisch, Radiša Barbul, Susita Fink,
Mitwirkende der Roma-Revue „Schneid dir den Ärmel ab und lauf davon! Čin ći baj taj naš!“ diskutieren über den Dokumentarfilm Natasha von Ulli Gladik. Der Film kann als gelungenes Beispiel einer nicht-viktimisierenden Darstellung von gesellschaftlich Ausgegrenzten angesehen werden und eignet sich als Einstieg in eine Diskussion über Betteln, Armut und Ausgrenzung sowie Bildpolitiken und Strategien der Sichtbarkeit. Warum? Lesen Sie weiter…
Natasha lebt in einer kleinen Stadt in der Nähe von Sofia/Bulgarien. Damit sie ihre Familie ernähren kann, fährt sie seit drei Jahren mehrmals jährlich nach Österreich, um zu betteln. Die Filmemacherin Ulli Gladik hat Natasha Kirilova und ihre Familie über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren begleitet. Eine zurückhaltende Direct-Cinema-Kamera beobachtet Natashas Alltag als Bettlerin in Österreich und die Lebensumstände ihrer Familie in ihrer Heimatstadt.
Johanna Schaffer analysiert in ihrem Buch Ambivalenzen der Sichtbarkeit. Über die visuellen Strukturen der Anerkennung (2008) unterschiedliche Strategien der Sichtbarkeit und ihre Wirkungen. Die Verteilung von Macht, die Konstruktion von sozialen Hierarchien und geschlechtlichen Differenzen manifestieren sich auch in der visuellen Strukturierung von Bildpolitiken. Schaffer hinterfragt die Annahme, dass alleine die Sichtbarmachung von gesellschaftlich marginalisierten Positionen bereits ein Mehr an gesellschaftlicher Anerkennung und Gestaltungsmacht mit sich bringt. Sie plädiert dafür, die jeweils gewählten visuellen Zeichen auf ihre Effekte zu befragen und eine reflexive Praxis des Sehens zu entwickeln. Damit steht die Frage im Zentrum, was spezielle Darstellungen ermöglichen, was sie zulassen und wen sie ermächtigen, was sie eröffnen und was sie ausschließen.
Die Protagonistin Natasha im gleichnamigen Film ist eine gehbehinderte Romni, also aufgrund ihrer Behinderung, ihrer Ethnie, ihresGeschlechts und ihrer sozioökomonischen Situation vielfältiger Diskriminierung ausgesetzt. Ihre Arbeit – das Betteln – erfordert eine klar erkennbare, aber doch dezente Inszenierung dieser Benachteiligungen. Dokumentationsvorhaben wie Natasha unterliegen leicht der Gefahr, ihre ProtagonistInnen zu viktimisieren und sie nur als Benachteiligte und Opfer zu zeigen. Eine Strategie, mit der Medienberichte, aber ebenso NGOs gerne operieren. Der Mitleidseffekte scheint einerseits lukrativ zu sein und hält andererseits konventionelle gesellschaftliche Status- zuschreibungen aufrecht. Dass viktimisierende Darstellungen allerdings auf der Ebene der Bildpolitik den Menschen zumeist die Würde erst nehmen, die sie angeblich einzufordern angetreten sind, zeigt sich spätestens daran, dass eines der beleidigendsten Schimpfwörter unter Jugendlichen heute »Du Opfer!« lautet.
Tina Leisch, Radiša Barbul, Sandra Selimovic, Susita Fink, Eva Moschitz und Maja Malle sind Teil des Ensembles des Romatheaterstücks Schneid dir den Ärmel ab und lauf davon! Čin ći baj taj naš!, in dem die Geschichte der Roma in Österreich als Figurentheater inszeniert wurde.1 Sie diskutieren über die Botschaften des Films Natasha und den Umgang mit BettlerInnen in Wien. Welche Bilder von bettelnden Menschen erzeugt der Film? Wie geht er mit herrschenden Klischees und Stereotypen um? Welche Wirklichkeiten lässt er zu?
Klischees. Nicht alle Österreicher sind Sandler
Leisch: Ich finde den Film an den Stellen sehr gelungen, wo er die Klischees über bettelnde Menschen auseinandernimmt. Nach dem Film hat man das Gefühl, dass Betteln harte Arbeit ist. Du musst hinfahren und arbeiten gehen, wie bei jeder anderen Arbeit, wie bei einem Achtstundenjob. Es ist anstrengend, und du musst etwas können. Die einen können es besser und die anderen schlechter.
Barbul: Wie ist das mit den Klischees über Roma? Roma haben seit Jahrhunderten ein schwieriges Leben. In keinem Land der Welt sind Roma beliebt, überall werden sie abgelehnt und diskriminiert. Ich frage mich, warum – etwa in Filmen – immer negative Sachen über Roma gezeigt werden – und dann alle Roma damit identifiziert werden. In Wien gibt es auch österreichische Sandler und trotzdem wird nicht ganz Österreich mit Sandlern assoziiert. Bei Roma passiert das aber so. Oder man erlaubt sich einen Spaß auf Kosten der Roma, wie in manchen Filmen von Emir Kusturica; das empfinde ich als erniedrigend.
Leben wie die Weißen hat seinen Preis
Leisch: Manche Roma, die gute Geschäfte machen, die z. B. noble Antiquitäten- oder Teppichgeschäfte haben, schreiben es sich nicht auf den Hut, dass sie Roma sind, weil das geschäftsschädigend sein könnte.Das Bild von Roma als den Armen und BettlerInnen hat vielleicht auch damit zu tun, dass sich erfolgreiche Roma nicht so gerne deklarieren.
Selimovic: Als meine Familie aus Serbien gekommen ist und ich in die erste Klasse Volksschule gegangen bin, war das Erste, was mir meine Mutter gesagt hat, dass ich nicht sagen soll, dass ich ›Zigeunerin‹ bin, aus Angst, dass ich sonst nicht akzeptiert werde. Das war meine ganze Schulzeit so. Meine Mutter wollte, dass wir genauso behandelt werden wie alle anderen, und deshalb war ganz klar, dass wir uns als SerbInnen bezeichnen. Das ist ganz typisch, dass Roma die gebildet sein wollen, nicht sagen, dass sie Roma sind. Die Roma-Kultur und –Sprache wird nur intern in der Familie gelebt. Oft verachten die Roma, die gebildet und erfolgreich sind, jene Roma, die eher den Klischees entsprechen, die kein fixes Haus haben, keine fixe Arbeit. Diese sind die ›schlechten Zigeuner‹ und ›wir‹ sind die guten, die es geschafft haben, die es aberauch in der Öffentlichkeit nicht in Erwägung ziehen würden, sich als Roma zu deklarieren, sondern sich als das ausgeben, was auf dem Pass steht. Das ist der Preis, der zu zahlen ist, um es zu etwas zu bringen und ›wie die Weißen zu leben‹, wie es auch im Film gesagt wurde. Deshalb ist es auch so wichtig, Gold zu tragen, weil man dadurch zeigt, dass man es geschafft hat.
Denjenigen, denen die Möglichkeit oder die Ausgangsituation fehlt, um es zu etwas zu bringen, gehen die Armutswege, was bleibt ihnen anderes übrig? Diese Menschen werden dann als Roma oder ›Zigeuner‹ wahrgenommen.
Alle, die übrig bleiben
Barbul: Es besteht die Chance, dass sich etwas ändert, weil das Bildungsniveau steigt und immer mehr junge Roma gebildet sind, sowohl in Österreich wie etwa auch im ehemaligen Jugoslawien.
Selimovic: Der Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens hat auch zum Zerfall von traditionellen Großfamilien beigetragen. Früher waren in einzelnen Dörfern oft alle verwandt, jetzt sind viele aus- oder weggewandert und die Dörfer sind leer. Die einzelne Person und ihre Bildung wurden wichtiger, da der Zusammenhalt geringer wurde und man sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass einen die Großfamilie unterstützt.
Diese Entwicklung steht auch im Zusammenhang mit dem Übergang von einer eher agrarischen Ökonomie zu einer Industriegesellschaft. Jugoslawien war bis in die 1970er Jahre schon noch in weiten Teilen agrarisch, und es war möglich, dass lokale Gemeinschaften sich mit Handwerk, Landwirtschaft und ein bisschen Handel ihr Überleben sichern konnten.
Thuswald: Die meisten BettlerInnen in Wien sind EU-BürgerInnen. In den letzten Jahren haben in Rumänien, Bulgarien oder der Slowakei Menschen auch durch die EU-Beitritte und das Inkrafttreten von EU-Gesetze und Regelungen ihre Lebensgrundlage verloren, etwa wenn nicht mehr mit Pferdewagen auf Überlandstraßen gefahren oder nur unter bestimmten Auflagen am eigenen Hof geschlachtet werden darf. Gleichzeitig haben die Menschen der neuen EU-Länder jetzt Reisefreiheit.
Selimovic: Gut und wichtig ist, dass der Film die Vorgeschichte zeigt: Natashas Familie hatte Arbeit. Dann ist das wirtschaftliche System des Landes zusammengebrochen, Betriebe wurden an ausländische Unternehmen verkauft, und die Eltern haben dadurch ihre Arbeit verloren. Im Film wird nur an der Stelle, wo Natashas Familie über die Bulgaren redet, angesprochen, dass sie selber Roma sind, dass sie als Roma von den Gadsche (Nicht-Roma) diskriminiert werden, dass sie keinen Job bekommen und auch keine reicheren Männer, weil die Bulgaren keine Romnia heiraten würden.
Leisch: Mit der ersten GastarbeiterInnengeneration sind Menschen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien nach Österreich gekommen, tatsächlichen waren aber viele, die als TürkInnen bezeichnet wurden, KurdInnen, und nicht wenige JugoslawInnen waren Roma, sie wurden aber nicht als solche erfasst. Die bekommen noch heute Muttersprachenunterricht in einer Sprache, die gar nie ihre Erstsprache war. Diese Zuschreibungen funktionieren dann so: Alle Roma, die Jobs gefunden haben, die arbeiten, sind ›Jugos‹. Als Roma angesehen werden dann nur die, die übrig bleiben, die am Schluss auf der Straße landen und betteln oder diejenigen, für die als exotische Balkan-MusikerInnen das Label ›Romageiger‹ ein Qualitätssiegel ist.
Nicht zugrunde gehen
Selimovic: Im Film kommt das Roma-Sein nur am Rande vor. Es werden kaum Klischees über Roma gezeigt, außer dass sie arm sind. Es werden auch kaum Traditionen gezeigt. Das einzige eher klassische Bild
war das, wo sie Musik aufgedreht und getanzt haben. Was die Emotionen betrifft, fand ich es typisch, damit konnte ich mich schon identifizieren: Dass sie in dieser großen Armut und Verzweiflung trotzdem viel gelacht haben und so viel Witz dabei war und so viel Selbstironie.
Leisch: Der Film ist auch deshalb sehenswert, weil Natasha so eine tolle Protagonistin ist. Einerseits zeigt sie sich und ihr Leben so uneitel und doch selbstbewusst vor der Kamera, und andererseits merkt man aber auch den Energieaufwand, den es bedeutet, so eine Scheißarbeit zu machen. Sie macht das, sie geht aber nicht zugrunde dabei, sie geht damit um. Dadurch wird sie eben nicht als Opfer gezeigt, sondern als eine verantwortungsvolle Kämpferin, die eine schwierige Situation zu meistern versteht.
Fink: Nimmt Natasha ihren Sohn nie mit nach Österreich?
Thuswald: Nein, sie lässt ihn bei den Verwandten in Bulgarien. Manche bettelnde Frauen nehmen ihre Kinder auch mit, sie haben aber große Angst, dass ihnen die Kinder von der Polizei weggenommen werden, was auch teilweise passiert ist – sogar schon bevor das Bettelverbot mit Kindern 2008 eingeführt wurde.3
Moschitz: Im ersten Monolog des Stücks Schneid dir den Ärmel ab und lauf davon! Čin ći baj taj naš! erklärt die Schauspielerin Simonida Jovanovic die Zigeunererlasse Maria Theresias. Unter anderem wurden den Roma ihre Kinder weggenommen, vorgeblich um sie dem Einfluss ihrer Familien zu entziehen und in Gadsche-Familien zu ›anständigen‹ Bauern oder Handwerkern zu erziehen. Oft hatte das ökonomische Gründe: Die Roma-Kinder waren billige Arbeitskräfte, oder man nahm sich einen Roma-Buben, um ihn statt des eigenen Sohnes zum Militär zu schicken. Die Roma haben sich das aber nicht widerstandslos gefallen lassen, sie holten sich ihre Kinder zurück. Das gängige Vorurteil von den ›kinderstehlenden Zigeunern‹ stimmt also: Sie haben sich ihre eigene Kinder zurückgeholt.
Leisch: Die Nationalsozialisten haben dann begonnen, die Roma-Kinder in den Gadsche-Pflegefamilien auszuforschen und sie zum Zweck der erbbiologisch und rassehygienisch begründeten Verfolgung und Vernichtung nun ihren Pflegefamilien – auch gegen deren Widerstand – wegzunehmen, wie Erich Hackl das in Abschied von Sidonie (1989) beschreibt.
Arme Leute müssen moralischer sein als die weniger armen
Fink: Kommen wir zurück zum Film Natasha: Es ist schade, dass im Film die Repression gegen BettlerInnen in Wien kaum vorkommt, weil Natasha aus diesem Grund in Graz bettelt. Vertreibung und Bestrafung von BettlerInnen sowie die Hetzkampagnen sind in Wien sehr massiv, es gibt zu wenige Menschen, die sich dagegen äußern.
Thuswald: Einen ganz wesentlichen Beitrag zur Legitimierung der Vertreibung haben die Wiener Linien mit ihren skandalösen Durchsagen geleistet, in denen sie die Fahrgäste aufgefordert haben, den BettlerInnen nichts zu geben, weil sich Fahrgäste durch organisiertes Betteln belästigt fühlen.4
Leisch: Wenn du an eine Hilfsorganisation spendest, ist auch ein bestimmter Anteil für die Verwaltungskosten. Aber sollte es bei den BettlerInnen welche geben, die für andere Quartier und Reise organisieren und dafür einen Teil des Geldes bekommen, dann wird das als verwerflich, ja als kriminell skandalisiert. Wenn jemand bei einer Leiharbeitsfirma für sechs Euro in der Stunde putzt, während die Leiharbeitsfirma für ihn 25 Euro pro Stunde kassiert, ist das übliches Business. Das ist gängige kapitalistische Profitlogik. Wenn aber BettlerInnen nach dem gleichen Prinzip organisiert sind wie jeder mittelständische Handwerksbetrieb, ist das eine verwerfliche Bettlerbande und die Chefs sind blutsaugende Ausbeuter. Wenn aber anerkannte Hilfsorganisationen 30 Prozent ihrer Spendeneinnahmen in die eigene Verwaltung stecken, ist das ganz normal. Wieso wird hier mit zweierlei Maß gemessen?
Moschitz: Es scheint, als müssten die Menschen, die gesellschaftlich gesehen ›unten‹ sind, moralischer sein als alle anderen.
Leisch: In München ist es so, dass jeder Sandler ein Taferl vor sich hat, wo draufsteht: »Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich bin unglücklich ins Elend geraten.«
Gestört werden und stören
Thuswald: Interessant ist, dass das, was mit »Organisiertsein« gemeint ist, bewusst unklar gehalten wird. Es wird das Bild von Ausbeutung mittransportiert, obwohl auch die Polizei keine kriminelle Strukturen, keine Bettelmafia, gefunden hat. Gleichzeitig müssen Menschen in Wien, um wegen »organisierten Bettelns« bestraft zu werden, nur zu dritt sein und Sichtkontakt während des Bettelns zueinander haben, das reicht für eine Verwaltungsstrafe.5
Selimovic: Das ist dasselbe wie im ersten Teil unseres Stückes Schneid dir den Ärmel ab und lauf davon! _in _i baj taj na_!, wo Heinrich Grünwald im Jahr 1718 verurteilt wird, weil er in einer Horde unterwegs war. Damals hat es gereicht, mit mehr als zwei Leuten zu reisen, um zum Tode verurteilt zu werden. Die Herrschaftslogik ist 200 Jahre später genau die gleiche: Wenn zu dritt gebettelt wird, dann ist das eine Horde – oder eine organisierte Bande – und kann bestraft werden.
Leisch: Man wird Armut nicht dadurch los, dass man die Leute bestraft und von bestimmten Plätzen vertreibt. Sie werden ja deshalb nicht weniger, sie haben nur keinen Platz mehr. Städte in denen Armut einen Platz hat, wo die Armen ihre Plätze haben, wo Obdachlose einen Platz haben an dem sie schlafen und Giftler öffentliche Plätze, an denen sie abhängen können, diese Städte sind grundsätzlich viel humaner und angenehmer. Die Vertreibungslogik produziert Leute, die umherirren, die nirgends hingehören, die keine Sozialität haben, die in Angst leben, die aggressiv werden. Vertreibung produziert nicht Sauberkeit und Sicherheit, sondern Angst und Aggressivität, Chaos und Unordnung. Wenn Menschen verjagt werden, kommen sie heimlich; wenn sie nicht
betteln dürfen, müssen sie vielleicht stehlen; wenn es keinen Ort mehr gibt, wo sie sein können, sind sie ein Störfaktor, der auch ›gestört wird‹ und stört. Das ist das Absurde an der Bettlerpolitik.
Fink: Die Leute ärgeren sich, weil sie durch die Bettelnden herausgefordert sind, Nein zu sagen, wenn sie nichts geben können oder wollen. Es fällt ihnen schwer, Nein zu sagen. Sie schauen lieber weg und verlangen, dass diese Menschen entfernt werden, die sie stören, die sie vielleicht mit ihrer eigenen Gebrechlichkeit oder mit ihrem Geiz konfrontieren.
Malle: Ob Menschen BettlerInnen etwas geben wollen oder nicht, sie müssen aushalten, dass sie da sind.
_ _ _ Anmerkungen
_ _ 1 Ein Ensemble aus Stars des Romatheaters (Sandra Selimovi_, Ambrol Stoika, Radi_a Barbul) und LaiendarstellerInnen hat historischen Dokumenten Leben eingehaucht. Ein Verhörprotokoll aus dem Jahre 1718, die Zigeunererlasse Maria Theresias, die Dissertation der NS-Rasseforscherin Eva Justin und Opferfürsorgeakten burgenländischer Roma dienen als Ausgangsmaterial für diese Revue, die alle Register der Volksbelustigung zieht, um die bitteren Geschichten in einer Mischung aus Schauspiel, Gesang und Figurentheater mit Galgenhumor zu präsentieren. Vgl. http://www.laufdavon.at [Stand 6/2010].
_ _ 2 Zu Antiziganismus vgl. End, Markus / Herold, Kathrin / Robel, Yvonne (Hg.) (2009): Antiziganistische Zustände. Zur Kritik eines allgegenwärtigen Ressentiments. Münster: Unrast Verlag.
_ _ 3 In Wien sind laut dem Wiener Landes-Sicherheitsgesetz von 1993, Abschnitt 2, §2 das aggressive und aufdringliche Betteln sowie das Betteln als Mitglied einer organisierten Gruppe verboten. Seit 2006 ist auch das Betteln von und mit unmündigen minderjährigen Personen unter Verwaltungsstrafe gestellt und ab Juni 2010 ist nun auch das »gewerbsmäßige Betteln« verboten.
_ _ 4 Zwischen 2006 und 2009 beschallten die Wiener Linien ihre Fahrgäste mehrere Monate lang mit folgender Durchsage: »Viele Fahrgäste fühlen sich durch organisiertes Betteln in der U-Bahn belästigt. Wir bitten Sie, dieser Entwicklung nicht durch aktive Unterstützung Vorschub zu leisten, sondern besser, durch Spenden an anerkannte Hilfsorganisationen zu helfen. Sie tragen dadurch zur Durchsetzung des Verbots von Betteln und Hausieren bei den Wiener Linien bei.«
_ _ 5 Auszug aus einer Strafverfügung der Polizei in Wien 2007: »Sie haben am 04. 09. 2007 von 10.30 bis 11.00 in Wien 1., Kärntner Straße Nr. 35–39 an einem öffentlichen Ort als Beteiligte einer organisierten Gruppe (d. h. in bewusster Verabredung von mindestens drei Personen) um Geld oder geldwerte Sachen gebettelt. Konkret haben Sie folgende Tathandlung/en gesetzt: Sie haben vorbeigehende Passanten um Geld angebettelt, indem Sie diesen Ihre Hände entgegen gehalten haben. In Ihrer unmittelbaren Nähe haben I. B., und M. T. und M. B. ebenfalls gebettelt, wobei Sie zu diesen Personen ständigen Sichtkontakt hatten.«
_ _ _ Literatur
_ _ End, Markus / Herold, Kathrin / Robel, Yvonne (Hg.) (2009): Antiziganistische Zustände. Zur Kritik eines allgegenwärtigen Ressentiments. Münster: Unrast Verlag.
_ _ Hackl, Erich (1989): Abschied von Sidonie. Zürich: Diogenes.
_ _ Schaffer, Johanna (2008): Ambivalenzen der Sichtbarkeit. Über die visuellen
Strukturen der Anerkennung. Bielefeld: transcript.
_ _ _ Zum Film
_ _ Natasha von Ulli Gladik, 2008 , 84 min
http://www.natasha-der-film.at/
zu bestellen bei: ul.gladik@gmx.at
_ _ Begleitendes Unterrichtsmaterial zum Film für Lehrerinnen und Lehrer: http://www.filmabc.at/bilder/file/Natasha_Schulmaterial%281%29.pdf
_ _ Texte und aktuelle Information zum Betteln in Österreich: https://bettellobbywien.wordpress.com
_ _ _ Zum Theaterstück
_ _ Schneid dir den Ärmel ab und lauf davon! _in _i baj taj na_! Eine Roma-Revue mit Galgen und Gesang.
http://www.laufdavon.at
Das Gespräch wurde erstmals veröffentlich in:
Thuswald, Marion (Hg.): urbanes lernen. Bildung und Intervention im öffentlichen Raum. Wien: Löcker 2010.
Schlagwörter: ausgrenzung, Betteln, Bettelverbot, film, klischees, Marion Thuswald, Natasha, Roma, tina leisch, Ulli Gladik, Čin ći baj taj naš
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