Sehr geehrter Herr Dr. Ulm!

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To: wolfgang.ulm@oevp-wien.at    Cc: redaktion@oe24.at

Mit großer Verwunderung und Irritation haben wir – die BettelLobbyWien – Ihre Forderung nach generellem Bettelverbot und „Bettel-Cops“ in zwei Ausgaben der Zeitung „Österreich“ (VP fordert generelle Bettelverbot in Wien, 7.7.2009 und Streit um Bettel-Cops, 9.7.2009) zu Kenntnis genommen. „Wenn jemand tatsächlich auf Hilfe angewiesen ist, dann muss die Stadt Hilfe anbieten. … Wien hat die moralische Verpflichtung, Verantwortung für an den gesellschaftlichen Rand gerückte Personen zu übernehmen. Bettelei sollte in einer Stadt wie Wien kein Thema sein. …“ Bis dahin können wir uns Ihrer Stellungnahme anschließen, weil unsere Erfahrung mit den Betroffenen gezeigt hat, dass diese aufgrund von extremer Armut und/oder Verfolgung durch rechtsextreme Gruppen in ihren Heimatländern zu uns – einem der reichsten Länder der Welt – kommen, um sich hier durch Betteln ihr Überleben und das ihrer Familie zu sichern bzw. sich und ihren Angehörigen ihre Wohnung erhalten und/oder ihre Kinder weiter zur Schule schicken können – nach dem Motto: Ich will nicht betteln, aber dürfen muss ich! „ … Die SPÖ ist aufgefordert, strikt gegen das Bettlerunwesen vorzugehen. Wien muss wieder sicherer und schöner werden. Damit in Wien was weitergeht, gibt es keine Alternativen zu einem generellen Bettelverbot“ Wenn Sie im ersten Teil Ihrer Stellungnahme von an den Rand gerückten Personen – und damit von Opfern – sprechen, ist für uns nicht nachvollziehbar, warum sie im nächsten Satz vom „Bettlerunwesen“ und dem Vorgehen dagegen reden. Uns ist der Zusammenhang zwischen von Armut betroffenen und bettelnden Menschen und der Sicherheit und Schönheit von Wien nicht einsichtig. Dies gilt doch nur für den Menschen, der sich gerne in einem Reservat für Bestverdiener zurückziehen möchte – sozusagen Cluburlaub im Alltag all inclusive!! – um nicht die Not des Mitmenschen wahrzunehmen…. Interessant erscheint uns auch Ihre Forderung: „Die SPÖ sollte sich daher ihrer angeblich so ausgeprägten sozialen Ader besinnen und versuchen, die Situation in den Griff zu bekommen“. Auch die ÖVP könnte sich ihrer christlich-sozialen Haltung und der damit verbunden Solidarität mit den Ärmsten der Armen bewusst werden, und dieser nicht durch Forderungen nach Verboten sondern nach nachhaltiger Unterstützung und Hilfe für BettlerInnen und deren Familien Ausdruck verleihen. Wie kann eine Partei mit diesem Hintergrund ein generelles Bettelverbot verlangen, wo nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention auch Betteln ein (letztes) Mittel zum Erwerb des Lebensunterhaltes sein kann? Erschreckend finden wir auch Ihre Auflistung der konkreten Aufgaben, der von Ihnen geforderten „Stadtwache“: Neben dem „Kampf gegen die Bettelei“ führen Sie „Verschmutzung des öffentlichen Raumes“ an. Wie können zum Betteln gezwungene Menschen mit Verschmutzung in einem Atemzug erwähnt werden? Betteln soll endlich auch in unserer Stadt ein sozialpolitisches und kein sicherheitspolitisches Thema sein! Wir sehen es nicht als Zumutung für die Polizei erst herauszufinden, welche Form des Bettelns gemeint ist, sondern eine Zumutung für Menschen, die sowieso vom Schicksal hart getroffen sind, dass diese aufgrund unmenschlicher Gesetze von der Polizei schikaniert werden dürfen. In Wien legen viele MitarbeiterInnen der Polizei aufdringliches und aggressives Betteln dahingehend aus, dass Menschen, die am Gehsteig sitzen oder ihre Beine oder Arme ausstrecken, diesbezüglich abgestraft werden. Zu Strafen für organisiertes Betteln kommt es, wenn BettlerInnen z.B. untereinander Blickkontakt haben oder das erbettelte Geld von Familienmitgliedern eingesammelt wird, damit es bei einer Verhaftung nicht von der Polizei abgenommen werden kann. So wie sich uns die derzeitige Situation darstellt, geht es der Exekutive weniger darum, Bemühungen anzustellen, Gesetzesübertretungen nachzuweisen. Im Gegenteil: diese werden prinzipiell vorausgesetzt und auf jede erdenkliche Form des Bettelns übertragen. Auch Sie und Ihre Partei tragen mit Ihren Forderungen dazu bei, dass BettlerInnen, kriminalisiert, gedemütigt und diskriminiert werden! Gerne sind wir zu einem Austausch mit Ihnen und Ihren ParteikollegInnen bereit, um die weit verbreiteten Vorurteile zu entkräften und Ihnen die Sicht von Seite der Betroffenen, zu denen wir auch persönliche Kontakte haben, zu unterbreiten. Es wäre auch möglich eine eigene Filmvorführung des Dokumentarfilms „Natasha“ von Ulli Gladik (www.natasha-der-film.at) zu organisieren. Wir sehen einer Vernetzung im Sinne der betroffenen Menschen hoffnungsvoll entgegen!

Mag.a Elisabeth Fröhlich für die BettelLobbyWien

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