Statement der BettelLobbyWien zu Häupls „Wiener Hausordnung“
Eine Symbiose von Strache und Boulevard sorgt in diesen Tagen laufend für die Konstruktion immer neuer „Katastrophen“ und „Skandale“, als deren Verursacher aber nicht, wie man meinen sollte, die Finanzkapitaljongleure, sondern deren ärmste Opfer hingestellt werden: die BettlerInnen aus den Ländern Osteuropas. Die Polizei liefert jede gewünschte Statistik, um die Ausweitung der überwachungsstaatlichen Instrumentarien gegen die unerwünschten Armen zu legitimieren. Im Jänner und Februar habe es in Wien 103 Anzeigen wegen „organisierter Bettelei“ gegeben. Bekanntlich sagen Anzeigen aufgehetzter BürgerInnen nichts aus über die reale Dimension des angegebenen Delikts. Aussagekräftig wäre, wenn die Behörde der Öffentlichkeit die Aufdeckung des ersten „mafiosen“ Netzwerks osteuropäischer Bettelei-PendlerInnen dokumentieren könnte. Die populistische Politik und die Boulevardmedien fragen nicht nach solchen Dokumenten nach, und sie hüten sich, durch Hintergrundberichte z.B. über den Zusammenbruch der rumänischen Volkswirtschaft ein Verständnis für den Überlebenskampf der Opfer zu fördern, der sie unter
anderem auf die Geschäftsstraßen und in die U-Bahnlinien Wiens zwingt.
Auf äußerste Besorgnis stößt bei der BettelLobby Wien, dass Wiens Bürgermeister nicht nur Signale unterlässt, eine von ihm weiterhin regierte Bundeshauptstadt bleibe eine Zone der sozialen Solidarität und des Respekts vor Menschenrechten, sondern einen aktiven Beitrag zur Konstruktion einer Unsicherheitslage leistet, für die angeblich die Vergrößerung der Bettlerzahl verantwortlich ist. Während immer klarer wird, dass die Stadtverwaltung Wiens durch die verantwortungslosen, profitorientierten und abenteuerlichen Aktivitäten der Finanzinstitutionen in Unordnung gerät, sodass der gewohnte Kommunalhaushalt für 2010 in Frage gestellt ist, will er laut einer Wiener Gratiszeitung auf dem Feld der „organisierten“ und „aggressiven“ Bettelei „für Ordnung sorgen“. Vor allem von Bettlern verlangt er die „Einhaltung der Wiener Hausordnung“. „Wir brauchen keinen Spitzelstaat und keine Stadtwache neben der Polizei. Aber wir steigern den Druck…“, wird der Bürgermeister zitiert – als ob auf den Betroffenen, die z.B. in ihren rumänischen Heimatsiedlungen keine Perspektive mehr für sich sehen, nicht schon ein kaum überbietbarer Druck lasten würde. Die BettelLobby Wien staunt angesichts der Evidenz des Beinahe-Bankrotts osteuropäischer Staaten über Aussagen Häupls wie „niemand hat es notwendig zu betteln“.
Der besonders bedrohliche Aspekt in der wohl schon als wahlkampfvorbereitendes Gerangel mit Strache um die Vorherrschaft im „Sicherheits“-Diskurs zu deutende Initiative des SPÖ-Spitzenkandidaten Häupl ist ihr möglicher Beitrag zum Aufkommen einer breiten antiziganistischen Strömung in Europa. Viele der osteuropäischen BettlerInnen in Wien gehören der Minderheit der Roma an. In Ungarn und Tschechien marschieren paramiltärische Gruppen durch Roma-Siedlungen, immer wieder kommt es zu Morden. Auch deshalb zieht es viele Roma nach Wien, wo sie nur durch Betteln überleben können.
Wir erwarten von einer verantwortungsbewussten Wiener Stadtregierung, ähnlichen Pogromstimmungen in Wien jede Basis zu entziehen, und nicht, Öl ins Feuer jener Politik zu gießen, die Mitglieder der Romaminderheit am Vorabend der größten Krise des Kapitalismus einmal mehr zum Sündenbock stilisieren soll.
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Mai 4, 2009 um 1:55 pm |
[…] nach unten indem er mittels Anzeigen in den auflagenstarken Kleinformaten gegen BettlerInnen hetzt (nachzulesen hier), auch Wolf Martin meldet sich wieder mal in Reimform zu Wort. Um zu ergründen, warum diese […]